Freitag, 6. Mai 2011

(2) Die Station Lichtenstein, das obere Ende der Honauer Zahnradbahn



Plan: Staatsarchiv Ludwigsburg

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Der neue Betriebsablauf bedeutete nun ständigen Lokomotivwechsel im Bahnhof Lichtenstein. Dessen Gleisanlagen wurden dafür ab dem Frühjahr 1901 kräftig erweitert (s. obigen Gleisplan) um die neuen Betriebsaufgaben zügig abwickeln zu können.

Da es damals noch vorgeschrieben war, dass die Lokomotiven Schornstein voraus fahren, wurde eine Drehscheibe eingebaut und in einem einfachen Wellblechlokschuppen konnte eine Lokomotive gesichert untergestellt werden.

Ab 1. Dez. 1902 konnten in Lichtenstein immerhin auch Expressgutsendungen abgeholt, jedoch keine versandt werden.

Erst im August 1904 wurde die sogen. Untersuchungsgrube für die hier wartenden Lokomotiven, wohl als Abschluss der Erweiterungsarbeiten zum Bau ausgeschrieben. Damit hatte die Station Lichtenstein ihre endgültige Ausbaustufe erreicht, die bis zum Ende der Zahnraddampfloks 1962 bestand hatte.





Bild: Ansichtskarte Gebr. Metz

Links im Bild beim Lokschuppen wartet auf Gleis 3 eine Ulmer Lok auf ihren Zug von Honau. Sobald der, geschoben von einer Zahnradlok auf Gleis I eingefahren war, fuhr die Ulmer Maschine von Gleis 3 über Gleis II zum Gleis I vor den Zug, zur Weiterfahrt dessen Richtung Kleinengstingen. Gleichzeitig hatte man die hinten am Zug befindliche Zahnradlok abgekuppelt und sie setzte von Gleis I zurück auf Gleis 2 zur Untersuchungsgrube oder Drehscheibe, um sich für den talwärts zu bringenden Gegenzug bereit zu machen.

War die Zeit gekommen, zog die Zahnradlok von der Untersuchungsgrube auf Gleis 2 vor zwischen die Weichen 1 und 4.

Kam der Gegenzug von Münsingen auf Gleis II eingefahren, wurde dessen Lok abgekuppelt und sie fuhr über die Weichen 4, 3, 2 und 1 um die Zahnradlok herum auf die Drehscheibe. Nach umstellen der Weiche 4 konnte die Zahnradlok an den Zug heranfahren und sich zur Talfahrt bereit machen.



Bild: Archiv Gem. Lichtenstein

Die Weichen und Signale für diese recht aufwändigen Rangiermanöver wurden über ein Kurbelwerk am Bahnhofsgebäude gestellt. Das besondere daran war, dass die Weichen nicht mit Seil- und Drahtzügen bewegt wurden sondern mittels Rohrgestänge und Winkelhebeln, die wintertauglicher gewesen sein dürften.




Zeichnung: Staatsarchiv Ludwigsburg

Auf der gegenüberliegenden Seite der Staatstrasse baute die Bahn ein Wohnhaus mit drei Wohnungen, für die nun zusätzlich notwendigen Bediensteten des Bahnhofes.




Plan: Staatsarchiv Ludwigsburg

Da der Verkehr, wie überall in Württemberg, stetig zunahm und vor allem von Genkingen und Willmandingen immer wieder die Forderung gestellt wurde, in Lichtenstein auch Güter verladen zu können, plante man 1913 abermals eine Erweiterung der Gleisanlagen um ein Güterzug- und ein Verladegleis.



Zeichnung: Staatsarchiv Ludwigsburg

Für diesen erweiterten Bahnhof sollte die Staatstrasse (heute B312) verlegt werden, um Platz für das neue größere und direkt am Bahnsteig stehende Bahnhofsgebäude mit Expressgutschuppen zu schaffen. Es entsprach dem Stil der damals entstandenen Bahnhofsgebäude verschiedener württembergischer Bahnlinien. Bahngebäude sollten stets stilbildend auf die Umgebung wirken und nicht nur einfachste und billigste Zweckbauten sein.




Zeichnung: Staatsarchiv Ludwigsburg

Das bisherige Bahnhofsgebäude wäre dann zu einem Eisenbahnerwohnhaus umgebaut worden und auch neben das bisherige Eisenbahnerwohnhaus über der Straße, sollte noch ein weiteres Mehrfamilienhaus in gleichem Baustil erstellt werden.

Diese wirklich großzügige und sicherlich dem Bedarf angemessene Erweiterung wurde jedoch nicht ausgeführt. Lediglich der Feldweg (F.W. Nr.6) auf der Traifelbergseite hat man verlegt und den Bahndamm in diesem Bereich noch für das zusätzlich vorgesehene Gleis verbreitert. Es ist anzunehmen dass weitere Arbeiten dann jedoch wg. des I.WK eingestellt worden sind.


Betriebs- u. Gleisplanvereinfachungen in Lichtenstein

Schon im II. WK begann man, wohl aufgrund des kriegsbedingten Lokmangels damit, dass die Zahnradlokomotiven die Züge mitsamt ihren Tal-Lokomotiven über die Steilstrecke beförderten. Wodurch die Züge in Lichtenstein, dann ohne Lokumsetzen mit zeitaufwändiger Bremsprobe, gleich weiterfahren konnten. Nach dem Krieg wurde diese Praxis mit eine Änderung der Steilstrecken-Vorschrift legalisiert. Die Zuglokomotiven (ohne Zahnrad) konnten in Honau bei der Bergfahrt vorne am Zug bleiben, musste jedoch zur Entlastung der hinten schiebenden Zahnradlok mitarbeiten. Ihr Gewicht brauchte dann nicht auf das zulässige Zuggewicht bei der Bergfahrt angerechnet werden.



Ab 1923 wurden diese Zahnradloks der Baureihe 97 5.. eingesetzt.

Zeichnung: Rainer Hipp

Bei der Talfahrt konnten die seit 1923 eingesetzten stärkeren Zahnradloks 250 Tonnen befördern. Da waren die 60-80 Tonnen der Zugloks kein Problem, da die Wagenzüge nur selten die „Berglast“ von 125 t überschritten. Durch diese Betriebsweise erübrigten sich im Bahnhof Lichtenstein viele Nebengleise und die Mehrzahl der Weichen. Sie wurden im Zuge der Vollinstandsetzung der Zahnradstrecke 1961 abgebaut. Das ergab eine deutliche Einsparung an Instandhaltungskosten. Die Instandhaltung einer einfachen fernbedienten Weiche kostet nach heutigem Stand jährlich 20 000.- Euro. Anfang der 60er Jahre entwickelte die Deutsche Bundesbahn (DB) aus den bewährten roten Schienenbussen eine Serie von 8 Triebwagen mit Zahnradantrieb. Diese gingen im September 1962 in Betrieb. Zum gleichen Zeitpunkt wurde der – sowieso geringe – Güterverkehr über die Zahnradbahn eingestellt und die verbliebenen drei (von vier) Zahnraddampfloks ausgemustert.

Die Zahnradschienenbusse ergaben eine weitere Beschleunigung des Bahnbetriebes, denn es musste keine Zahnradlok mehr an- und abgehängt werden. Und die vor der Talfahrt stets notwendige Bremsprobe konnte der Triebwagenführer von seinem Sitzplatz aus vornehmen.

Trotz dieses, auch gerade auf der Kostenseite deutlich verbesserten Betriebes, wurde zum Ende des Sommerfahrplanes 1969 der Personenverkehr von Honau nach Münsingen eingestellt und der Streckenabschnitt von Honau bis Kleinengstingen komplett stillgelegt.

Ein paar Monate später dann hatte man die Gleise abgebaut und anderweitig wiederverwendet. Die Zahnstangen wurden verschrottet, nur ein paar einzelne kurze Sammlerstücke blieben übrig.

Das Bahnhofsgebäude bekam noch eine zweijährige Schonfrist und wurde dann ebenfalls abgebrochen. Immerhin blieb der Lokschuppen der ehem. Station Lichtenstein bis heute erhalten. Er wird von der Lichtensteiner Feuerwehr betreut und als Museum genutzt.

Ein Beitrag von Michael Staiger u. Rainer Hipp

3 Kommentare:

  1. Günter Tarras6. Mai 2011 um 08:45

    Dem kann ich mich nur anschliessen; ja, wenn`s jetzt nicht klappt.!!

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  2. Michael Staiger10. Mai 2011 um 18:09

    Hallo Zahnradbahn-Freunde,

    freut mich daß der Beitrag gefällt.
    Wir werden neben der sich in der Endphase befindenden Lokaufarbeitung (www.zhl.de) auch mal wieder Beiträge zur Echazbahn mit der Honauer Steige bringen.

    Gruß aus Reutlingen
    Michael Staiger

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