Dienstag, 6. April 2021

Sängerbund Unterhausen, 1952. Aufführung des Heimatspiels: "Der Pfeifer von Hardt".



Hanns, genannt der Pfeifer von Hardt, hat im Roman Lichtenstein eine wichtige Rolle: Er ist für den Haupthelden Georg von Sturmfeder der Verbindungsmann zu Marie und zur Burg Lichtenstein, aber auch zu Herzog Ulrich. Er spielt diese Rolle souverän und intelligent mit einer keinesfalls volkstümelnden Bauernschläue. Als Bauer und Spielmann gehört er zum einfachen Volk, doch scheint er selbst mit dem Herzog auf Augenhöhe zu verkehren – er ist sein Kundschafter und Beschützer, das hebt ihn besonders heraus. An keiner Stelle des Romans lässt Hauff den Pfeifer, im Unterschied zu dessen Frau und dessen Tochter Bärbele, schwäbischen Dialekt sprechen. Seine Figur wird auch nie ironisch gebrochen, so wie es fast allen anderen, eher ambivalent konzipierten Romanfiguren erzählerisch widerfährt. Manche Leser sehen im Pfeifer sogar den eigentlichen Haupthelden des Romans, der in seiner Ausgestaltung dem Dichter auch am besten gelungen sei. Schon einer der ersten Kritiker des Lichtenstein, Wolfgang Menzel (1798 – 1873), schreibt 1826: „Dieß ist eine feste plastische Gestalt, wahr und warm geschildert und ächt nationell“ (siehe Pfäfflin, S. 76-78). Hanns, den Pfeifer, umgibt etwas Ernsthaftes, was mit seiner Vergangenheit zu tun hat. Er möchte auch nicht „Pfeifer“ genannt werden, weil „dieser Name sich mit Untat und Blut befleckt“ habe (Reclam, S. 114). Erst kurz vor seinem Tod offenbart er Georg (und damit auch dem Leser), was ihn „so ausschließlich und enge an den Herzog knüpft“ (Reclam, S. 379): Ein Erlebnis, das den Pfeifer zur Gefolgschaftstreue bis zur Selbstaufopferung treibt und ein bezeichnendes Licht auf Herzog Ulrich wirft, wenn er – ganz Willkürherrscher – mit einem Menschen grausam spielt. Die Erzählung des Pfeifers sei hier wiedergeben. Sie beginnt damit, dass er Georg von der Verschwendungssucht am herzoglichen Hofe berichtet; wie die Bauern immer mehr ausgepresst wurden und daraus der Aufstand des „Armen Konrad“ entstand. Wie er, als einer der kühnsten Aufrührer, zusammen mit elf anderen gefangen wurde. Dann enthüllt er sein eigentliches Geheimnis, das er als „Wunder“ bezeichnet: Wir zwölf wurden auf den Markt geführt, es sollte uns dort der Kopf abgehauen werden. Der Herzog saß vor dem Rathaus und ließ uns noch einmal vor sich führen. Jene elfe stürzten nieder, daß ihre Ketten fürchterlich rasselten, und schrieen mit jammernder Stimme um Gnade. Er sah sie lange an und betrachtete dann mich. ‚Warum bittest du nicht auch?‘ fragte er. ‚Herr‘, antwortete ich, ich weiß was ich verdient habe, Gott sei meiner Seele gnädig.‘ Noch einmal sah er auf uns, dann aber winkte er dem Scharfrichter. Sie wurden nach dem Alter gestellt, ich, als der jüngste, war der letzte. Ich weiß wenig mehr von jenen schrecklichen Augenblicken; aber nie vergesse ich den greulichen Ton, wenn die Halsknorpel krachten – (…) Neun Köpfe meiner Gesellen staken auf den Spießen, da rief der Herzog: ‚Zehn sollen bluten, zwei frei sein. Bringt Würfel her, und lasst die drei dort würfeln!‘ Man brachte Würfel, der Herzog bot sie mir zuerst; ich aber sagte: ‚Ich habe mein Leben verwirkt und würfle nicht mehr darüber!‘ Da sprach der Herzog: ‚Nun so würfle ich für dich.‘ Er bot den zwei andern die Würfel hin. Zitternd schüttelten sie in den kalten Händen die Würfel, zitternd zählten sie die Augen; der eine warf neun, der andere vierzehn; da nahm der Herzog die Würfel und schüttelte sie. Er faßte mich scharf ins Auge, ich weiß, daß ich nicht gezittert habe. Er warf – und deckte schnell die Hand darauf. ‚Bitte um Gnade‘, sagte er, ‚noch ist es Zeit.‘ ‚Ich bitte, daß Ihr mir verzeihen möget, was ich Euch Leids getan‘, antwortete ich, ‚um Gnade aber bitt ich nicht, ich habe sie nicht verdient und will sterben.‘ Da deckte er die Hand auf, und siehe er hatte achtzehn geworfen. Es war mir sonderbar zumut; es kam mir vor als habe er gerichtet an Gottes Statt. Ich stürzte auf meine Kniee nieder und gelobte fortan in seinem Dienst zu leben und zu sterben. Der zehnte ward geköpft, wir beide waren frei. (Reclam, S. 382f).

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 Fotos: Album, Siegfried Bertsch / Holzelfingen                                                                 Bearbeitung + eArchiv: Dieter Bertsch

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