Sonntag, 11. April 2021

Sängerbund Unterhausen, 1952. Aufführung des Heimatspiels: "Der Pfeifer von Hardt" - (Fortsetzung vom BLOG 06.04.2021).

 


Personen, v.l.n.r.: Siegfried Bertsch und Ilse Hageloch, geb. Häbe.

Die im Heimatspiel vorkommenden Figuren sind weitgehendst in Hauffs Roman "Lichtenstein" erfunden worden - sie bieten allerdings ausgeprägtes Identifikationspotential.

Ein schwäbischer Pfarrer formulierte 1907, sicher stellvertretend für viele württembergische Leser, was diese „markige Gestalt volkstümlichster Art“ so populär werden ließ, auch wenn sie ‚nur‘ erfunden war. Der Pfeifer verkörpere nämlich „jenes württembergische Volk, wie es leibte und lebte, litt und stritt in den bitterschweren Zeiten Ulrichs, zuerst aufrührerisch und verzweifelt das Aeußerste wagend, hernach alle Unbill vergessend und für Gnade dankbar, anhänglich an das angestammte Fürstenhaus und ihm ergeben bis in den Tod. Besonders das Landvolk zeigt sich in dieser Hinsicht im schönsten Licht. Bei den höheren Ständen hört die Opferfreudigkeit für den Herzog auf in dem Augenblick, wo neben dem Interesse des Landes auch ihre Rechte in Frage kommen. Das Volk aber geht wie der Pfeifer mit seinem Herzog durch dick und dünn, dasselbe Volk, das dem Armen Konrad in hellen Haufen zuströmt, ist in ebenso dichten Haufen auf den letzten Hilferuf seines Fürsten an dessen Seite und bildet nach dem Verlust aller festen Plätze sein einziges Bollwerk, seine letzte Zuflucht und nicht bloß ein Hans, sondern hunderte haben für ihn geblutet.“ (Zitat nach Pfarrer Rauscher: Der Pfeifer von Hardt. In: Blätter des Schwäbischen Albvereins. XIX. Jg. 1907, Nr. 3, S. 75-84. Online in Wikisource.)

Recht viele Württemberger konnten sich in der Anhänglichkeit des Pfeifers an das „angestammte Fürstenhaus“ offensichtlich wiederfinden. Hanns, der Pfeifer, gehört – mit seiner spezifischen Form von württembergischem Patriotismus – zu den literarischen Figuren, auf die man in den Geschichtsromanzen des schwäbischen Dichterkreises (Kerner, Uhland, Schwab) häufig trifft. So z.B. auch in Ludwig Uhlands Gedicht Graf Eberhard im Bart. Dort ist es ein Schwarzwaldhirte, ebenfalls ein Mann aus dem einfachen Volk, der seinem gräflichen Herrn das Leben rettet. Wobei Uhland, noch viel deutlicher als Hauff in seinem Lichtenstein, den zeitgenössischen Lesern eine politische Botschaft mit auf den Weg gibt (Literatur als Denkmal):

In Fährden und in Nöten,
Zeigt erst das Volk sich echt,
Drum soll man nie zertreten
Sein altes gutes Recht.

Die Figur des Pfeifers hielt noch in anderer Hinsicht ein hohes Identifikationspotential für die württembergischen Leser bereit: seine Nähe und Liebe zur schwäbischen Landschaft. Als Georgs ortskundiger Führer über die Schwäbische Alb öffnet der Pfeifer dem jungen Ritter die Augen für die Schönheit des Landes:

„Ein herrliches Land, dieses Württemberg“, rief Georg, indem sein Auge von Hügel zu Hügel schweifte; „wie kühn, wie erhaben diese Gipfel und Bergwände, diese Felsen und ihre Burgen; und wenn ich mich dorthin wende gegen die Täler des Neckars, wie lieblich jene sanften Hügel, jene Berge mit Obst und Wein besetzt, jene fruchtbaren Täler mit schönen Bächen und Flüssen, dazu ein milder Himmel und ein guter, kräftiger Schlag von Menschen.“ „Ja“, fiel der Bauer ein, „es ist ein schönes Land; doch hier oben will es noch nicht viel sagen, aber was so unter Stuttgart ist, das wahre Unterland, Herr! da ist es eine Freude im Sommer oder Herbst, am Neckar hinabzuwandeln; wie da die Felder so schön und reich stehen, wie der Weinstock so dicht und grün die Berge überzieht, und wie Nachen und Flöße den Neckar hinauf- und hinabfahren, wie die Leute so fröhlich an der Arbeit sind, und die schönen Mädchen singen wie die jungen Lerchen. (Reclam, S. 124f)

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Fotoauszug: Album, Siegfried Bertsch / Holzelfingen                                                          Bearbeitung + eArchiv: Dieter Bertsch

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