Freitag, 8. Januar 2010

Die Lokomotiven der Zahnradbahn Honau-Lichtenstein I


















Auf dem Bild zu sehen, eine Zahnrad-Dampflok der Klasse Fz die in vier Exemplaren nur für
den Einsatz auf der Strecke Reutlingen-Münsingen 1893 gebaut wurde. Ihre korrekte Bezeichnung: 3/4 gekuppelte 4 Zylinder Adhäsions- und Zahnradlokomotive System Klose der KöniglichWürttembergischen Staatsbahnen, Klasse Fz.
Zu damaliger Zeit erhielten alle Lokomotiven außer einer Nummer auch einen schönen Namen.
Weil diese Loks fast nur zwischen Reutlingen und Münsingen im Einsatz waren, wurden Namen
die einen Bezug zur Strecke hatten ausgewählt. Auf dem Bild die Lok ACHALM. Sie war auch dieerste Lok die Anfang September 1893 zu eine Versuchsfahrt in Honau eintraf. Sie musste danachjedoch wieder zurückgeschickt werden, weil an derselben noch einigen Änderungen vorgenommenwerden mussten. Gebaut wurden die Lokomotiven von der Maschinenfabrik Esslingen, die großeErfahrungen mit dem Bau von Zahnradlokomotiven hatte und auch die Zahnstange für die Zahnradbahnlieferte. Die übrigen drei Loks trugen die Namen LICHTENSTEIN, GRAFENECK und MUENSINGEN.
Das äußere, einfache Erscheinungsbild der Loks lässt nicht vermuten, dass sie zu damaliger Zeit
was besonderes waren und ein technisch kompliziertes Innenleben hatten. Sie hatte vier Dampfzylinder,
wovon die zwei äußeren sichtbaren dem Antrieb der Räder (drei gekuppelte Achsen) dienten.
Zwei weitere Zylinder, zwischen dem Rahmen angeordnet arbeiteten auf eine Blindwelle die über ein kleineres Zahnrad die zwei Treibzahnräder auf der ersten und zweiten Kuppelachse in Bewegung setzten. Diese Zylinder waren nur beim Befahren der Zahnradstrecke im Einsatz. Um die Kraft des Dampfes vom Kessel besser ausnützen zu können waren drei verschiedene Betriebsarten der
Zylinder möglich. Auf normaler Strecke arbeiteten nur die beiden äußeren Zylinder. Auf der Zahnrad-
strecke konnte durch einen verstellbaren Schieber der Abdampf der äußeren Zylinder in die
Zahnradzylinder geleitet werden (Verbundbetrieb) und wurde so ein zweites Mal genutzt. Das war für Zahnradstrecken eine sehr sinnvolle Betriebsart, weil so durchdrehende Räder in der Steilstrecke bewirkten, dass mehr Abdampf auf die Zahnradzylinder kam und dadurch die Zahnradmaschine mehr Arbeit übernahm. Gleichzeitig wurde das Adhäsions- oder Reibungstriebwerk der Räder gedämpft weil es seinen Abdampf nicht so schnell los wurde. Zusätzlich konnte der Schieber noch so gestellt werden, dass beide Triebwerke direkt mit Kesseldampf versorgt wurden, zur besonderen Kraftentfaltung auf der Zahnradstrecke z.B. beim Anfahren nach einem Nothalt. Das bedeutete allerdings einen sehr hohen Dampfverbrauch, dem der Kessel nicht lange gewachsen war. Der Kessel der Loks
war ebenfalls eine besondere Konstruktion, die es den Loks ermöglichte die Zahnradstrecke
vorwärts hinab zu fahren, was allen übrigen Lokomotiven nicht möglich war, weil das nach vorne laufende Kesselwasser die Feuerbüchse nicht mehr bedeckt hätte und ein Ausglühen derselben zu einer Kesselexplosion geführt hätte.
Noch schwieriger als die Bergfahrt auf der Zahnradstrecke war für die Loks die Talfahrt nach Honau. Ein so schwerer Zug kann nicht mit Bremsklötzen an den Rädern wegen Überhitzung zu Tal gebracht werden. Als wichtigste Bremse bei der Talfahrt diente die Luftkompressionsbremse. Die Steuerung wurde dabei auf Rückwärtsfahrt gestellt und alle vier Zylinder arbeiteten als Kompressor. Durch Umstellen eines Ventils unter dem Blasrohr konnten sie frische Luft ansaugen. Weil sich diese beim Zusammenpressen stark erhitzte wurde allen vier Zylindern Kühlwasser zugeleitet. Die gepresste Luft entwich dann über ein Verstellventil mit dem die Bremswirkung eingestellt wurde und über einen Schalldämpfer ins Freie.
Zusätzlich hatten die Loks eine Notbremse die auf das hintere Zahnrad wirkte und von Hand oder durch Dampf betätigt wurde. Sowie eine Handbremse die auf die Blindwelle des Zahnradantriebes wirkte und dadurch beide Treibzahnräder bremste und zugleich noch die Bremsklötze der Räder betätigte.
Außerdem waren die Loks noch eine Westinghouse Bremse und den Aggregaten der Heberleinbremse ausgestattet. Letztere betätigte in Notfällen die Bremszahnräder der speziell für diese Strecke gebauten Personen- und Packwagen. Die Lokomotiven hatten ein Dienstgewicht von 54 Tonnen und konnten einen Zug mit 120 Tonnen und
40 km/h nach Honau befördern. Auf der Zahnradstrecke auf Steigung und Gefäll einen Zug mit max. 90 t und 10 km/h Geschwindigkeit.

Bildquelle: Archiv Daimler Benz AG - Text Rainer Hipp, Unterhausen

2 Kommentare:

  1. Sehr geehrter Herr Hipp,

    ich gratuliere Ihnen zu dieser tollen technischen Beschreibung. Da wird doch jedem verständlich, "wia d' Dampflok" funktioniert hat und so mancher erinnert sich an die damalige Zugfahrt von "Hona uf Statio nauf".
    Sehr interessanter Beitrag, ich habe ihn daher in meinem Bekanntenkreis "weltweit" weiter empfohlen.

    Hans Gerstenmaier,Honau

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  2. Was für eine technische Beschreibung!
    Bin Laie aber sehr angetan von der Leistung der Ingenieure in seiner Zeit.
    Das sollte man den Studenten vorführen

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