Freitag, 29. Juli 2016
1890: Eine Genußwanderung durch das obere Echaztal.
Lassen wir den Tübinger Professor Nägele berichten, der seine Eindrücke vom oberen Echaztal für die Oberamtsbeschreibung (1893) in einer uns heute fast fremden, ausgeprägt farbigen Ausdrucksweise wie folgt niedergeschrieben hat:
"Vom oberen Ende Pfullingens .... führt eine wohlgepflegte, später von alten, prächtigen Birnbäumen beschattete Straße sanft die Höhe hinan, über welche in schmalem Bette die segensspendende Echaz herniederschießt. Auf dem Weg durchs Thal hat man den Urselberg mit dem Kugel- und Immenberg links, Wanne und Schönberg und Hochberg rechts, und tritt an der großen Baumwollspinnerei vorüber in eine Thalweitung ein, vorne der Burgstein und das Burgholz, links Zellerthal mit Bohlesfels, während bei den ersten Häusern von Unterhausen der Lichtenstein sichtbar wird.
Unterhausen liegt hart unter den Hängen des zum Lippenthaler Hochberg gehörenden Härtle; auf der anderen Seite, wo reiche Quellen im Thalgrund hervorsprudeln, rauscht oberhalb der Steinbrücke die Echaz in breitem Fall über die Felsen.
Auf Unterhausener Markung zieht uns vor allem das schmale, vom Stahlecker Bach durchflossene Zellerthal an. Von einem Sträßchen durchzogen, zu dessen beiden Seiten schöne Nussbäume stehen, läuft es ins Gebirge hinauf, über den Wäldern Felsenzinnen, unter ihnen bis zur Sohle der Schlucht grüne Matten, rechts das Holzelfinger Thälchen, in dessen unteren Kessel die Eckfelsen des Zellerbuchs, des großen und sogenannten kleinen Greifensteins und Rauhbols herniederschauen.
Verläßt man Unterhausen in Richtung gegen das benachbarte Oberhausen, so hat man vorne und rückwärts den schönen Anblick: oben die drei Felsenburren Gießstein, Steighau, Linsenbühl, dann Lichtenstein, das Schlößchen und den alten Lichtenstein, unter letzterem in der Thalklamm Honau. Was für Unterhausen das Zellerthal, ist für Oberhausen das Reißenbachtal, nicht so idyllisch wie jenes, aber durch eine Reihe von Felsen, die auf Wald und Flur herniederdrohen, nicht weniger romantisch. Etwa in der Mitte des Hintergrundes, unterhalb der oberen Randlinie des Waldes, erkennt der Wanderer links einer stattlichen Felsenreihe unter kleinen Felsbrocken den Eingang zur Nebelhöhle. Auch die Umgebung dieser berühmtesten Höhle Schwabens hat ihre Reize. Ein wilder Felspfad führt einerseits dem Wackerstein zu über die prächtige Heide "auf dem Wohn", von der aus Alpenfernsicht möglich ist, andererseits führen Waldpfade gegen Osten an den Weidebuchen des Felsbuckels Kalkofen vorbei dem Lichtenstein zu.
Über die Anziehungskraft des letzteren werden die Steilrandpunkte des Gießsteins und des Brunnensteins unbeachtet belassen, und doch ist der Ausblick von dem steil ansteigenden, burgartigen Gießstein, ferner ein Gang über den Steighau hinweg, namentlich aber die großartige Fernsicht vom Brunnenstein, der höchsten Spitze des Linsenbühls, welche der des Lichtensteins gleichkommt und gegen die Teck und die Ebinger Berge hin noch weiter reicht, eines kurzen Abstechers wert.
Unter dem Gießstein findet sich am Geißspitzberg das sogenannte "Geldloch" (von einem Brakteatenfund um 1778 her), unter dem Brunnenstein an der Felssteige nach dem Lichtenstein das oft starke Wasserstrahlen ausschüttende Brunnenloch.
Geht man von Oberhausen im Thale weiter, so steigert sich der malerische Charakter bis zum Aufstieg auf die Höhe von Schritt zu Schritt. Honau erhebt sich auf einer hügeligen, wasserumflossenen Ausbuchtung des linksseitigen Thalhanges über der schmalen Thalsohle, zu der die Wälder weit herabreichen."
Die von Professor Nägele beschriebene Wanderung durch das obere Echaztal, um 1890, wollen wir mit dem Verlassen der Markung Oberhausen in Richtung Honau beenden.
Textauszüge: Beschreibung des Oberamts Reutlingen, 1893 Bearbeitung + eArchiv: Dieter Bertsch
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