Montag, 2. August 2021

Artillerie-Beschuss von Schloss Lichtenstein, am 22. + 23. April 1945, durch amerikanische Truppen.

Poster aus dem "Militärhistorischen Museum Engstingen-Haid", von der Sonderausstellung: "Ende des 2. Weltkriegs vor 75 Jahren - mit regionalem Schwerpunkt":


Nachfolgend mehrere Auszüge vom obigen Poster mit Erläuterungen:

Die Artilleriegeschütze standen in Unterhausen. Hauptsächlich wurde stundenlang der Bereich um das Schloss Lichtenstein und die Traifelbergfelsen unter Beschuss genommen.

An der Wirtschaft "Zur Post" (das spätere "Nicklas") wurde ein 10-cm-Geschütz in Stellung gebracht. Ein weiteres Geschütz stand im Hof vom Wagner und Waldschütz Vollmer in der Friedrich-List-Straße und eine Batterie mit 8-cm-Geschützen auf Stetten. Diese Geschütze beschossen hauptsächlich das Schloss Lichtenstein und die Traifelbergfelsen. Auf den Traifelbergfelsen wurden Stellungen von deutschen Soldaten vermutet.

Karl Gero, Herzog von Urach und Graf von Württemberg, der Schlossherr vom Lichtenstein, berichtete von den letzten gefahrvollen Stunden vor der Besetzung:

Am 22. April abends gab es Artilleriefeuer aus Richtung Westen zur Honauer Steige hin. Etwa alle zehn  Minuten erfolgte ein Schuss. Die Treffer schlugen in die Wiesen oberhalb des Dorfes ein. Am 23. April morgens hörte man Gefechtslärm von Reutlingen her. Die Wiesen am Südhang des Ursulabergs wurden von feindlicher Artillerie beschossen . Etwa um 14:30 Uhr fuhren mehrere amerikanische Panzer in Unterhausen ein. Kurze Zeit darauf beschoss ein einzelner Panzer direkt das Schloss und erzielte einzelne Treffer. Dann fuhren zwei feindliche Batterien (Kaliber 15 cm) in der Nähe der Unterhausener Kirche auf und beschossen hauptsächlich die Felsen beim Augustenturm (Kanonenturm), streuten aber auch den gesamten Park und Wald ab. Der Beschuss dauerte etwa bis 20 Uhr. Es wurden in der Umgebung 900 bis 1000 Treffer festgestellt. Eine größere Anzahl von Bäumen wurde getroffen und wir hatten es noch jahrelang mit "Splitterholz" zu tun. Als ich gegen 18 Uhr nach Honau hinuntersah, bemerkte ich die Amerikaner im Vorgehen auf Honau und vom Wind wurde das Kommando "boys go on" heraufgetragen. Dann schossen Maschinengewehre mit Brandmunition gegen das Schloss; zum Glück setzte Regen ein, so daß der Beschuss wirkungslos blieb.

Einem Bericht der Prinzessin Margarete von Urach, Gräfin von Württemberg, entstammen folgende Angaben:

Die US-Panzerabteilung zog das Tal hinauf und gegen Münsingen weiter, so dass das Schloss selbst nicht besetzt wurde. Telefon- und Stromleitungen wurden zerstört und fielen aus, alle Fensterscheiben waren zerschossen und es fiel Schnee herein. Wir froren sehr! Zum Essen hatten wir kaum etwas, da wir außer einer Kuh keine Landwirtschaft betrieben. Wir waren sehr froh, als der französische General Guillaume mit seinem Stab eintraf und auf meine Bitten hin eine Bescheinigung schrieb, dass das Schloss unter französischem Schutz stünde und weder besetzt noch etwas beschlagnahmt werden dürfe. Regelmäßige Kontrollen französischer Gendarmen sorgten für die Einhaltung dieser Anordnungen.





Obwohl die feindliche Artillerie - zum Glück - nicht sehr genau schoss, war der Schaden im Schloss beträchtlich. Fast sämtliche Fensterscheiben waren zersprungen, Dachrinnen und Dachziegel waren in großer Zahl beschädigt. Nur ein wertvolles Bild (Italiener, Marco Zoppo, 16. Jahrhundert, Darstellung: Geburt Christi) wurde völlig zerstört. Andere Bilder, wie einige von der "Ulmer Schule", aus dem 16. Jahrhundert, wurden erheblich beschädigt, doch diese konnten in mühseliger Kleinarbeit und entsprechend kostspielig restauriert werden. Die alten Glasmalereien in der Kapelle wurden nur unbedeutend in Mitleidenschaft gezogen. Der Turm erlitt ernsthafte, zunächst nicht sofort erkannte Schäden, die erhebliche Kosten verursachten. Weitere, kostenintensive Maßnahmen stehen hier noch an.

Historische Textquellen: Gerhard Junger, "Schicksale 1945. Das Ende des 2. Weltkriegs im Kreis Reutlingen", Seite 154 ff.

Poster / Idee und Entwurf, erklärende Texte: Bernhard Klingenstein, vom "Militärhistorischen Museum Engstingen-Haid".

Fotos: Schlossverwaltung, E. Etter; Archiv, GHV-Lichtenstein.

Bearbeitung + eArchiv: Dieter Bertsch

1 Kommentar:

  1. Vielen Dank Herr Bertsch. Ich fand diesen Website-Beitrag sehr interessant. Paul Keppler

    AntwortenLöschen