Mittwoch, 28. März 2018
17. August 1919 - als gegen drei Uhr eine Schreckensbotschaft vom Lichtenstein kam: 60 Menschen stürzten mit der Schloßbrücke in den Abgrund.
Noch in guter Erinnerung vom Erzählen, ist bei vielen Älteren das Datum des 17. August 1919. es war ein Sonntagnachmittag, als vom "Täle" herunter die Schreckensbotschaft kam, auf der Honauer Steige sei ein Bahnzug ins Rollen gekommen und namenloses Unglück sei eingetreten. Von sechzig Toten wurde gesprochen und von Hunderten von Verletzten. Gott sei Dank entsprach das Gerücht in seinen Ausmaßen und Tatsachen nicht der Wahrheit. Was geschehen war, war noch schlimm genug. Mit der Zugbrücke, die vom Schloßhof Lichtenstein zum Schloß führt, waren 50 bis 60 Menschen in den Abgrund gestürzt.
Zumeist waren es Touristen, Sonntagsausflügler und Urlauber, die an diesem schönen Augustsonntag dem Schloß Lichtenstein einen Besuch abstatten wollten. Etwa zehn Minuten nach zwei Uhr, als eben der mit einer Partie Fremder im Schloss befindliche Schloßverwalter eine neue Gruppe zur Besichtigung einlassen wollte, brach die Brücke, wie der Chronist seinerzeit berichtete, in ihrem äußeren, gegen den Schloßhof gelegenen Teil, in die Tiefe. Etwa 50 bis 60 Besucher, Männer, Frauen und Kinder stürzten in den an dieser Stelle etwa zehn Meter tiefen Felsspalt. Auf der Brücke selbst mochten sich in diesem Augenblick hundert oder mehr Menschen aufgehalten haben.
Die Unglückstätte, so heißt es in dem seinerzeitigen Bericht des Reutlinger General-Anzeigers, bot ein Bild des Jammers und der Verzweiflung. Hörte man zunächst einen Schrei des Entsetzens, in den beim Bersten der Brücke auch die Zuschauer im Hof und die Besucher im Schlosse mit einstimmten, so ging dieser bald über in das Schreien, Jammern und Stöhnen der in dem engen Felsspalt Eingeklemmten, auf die zudem auch noch das Wasser aus der unter der Brücke hindurchgeführten, bei dem Bruche geborstenen Schloßwasserleitung herunterströmte. Der Schloßverwalter, der mit zahlreichen Besuchern im Schlosse abgeschnitten war, ließ sich an einem Seil rasch in den zehn Meter tiefen Graben herab, um von da in den Hof zu kommen und die Rettungsarbeiten einzuleiten.
Was Hände hatte, zu helfen, griff sofort zu. Auch der auf dem Schloß Lichtenstein weilende Herzog von Urach ließ Teppiche und Verbandsstoffe herbeischaffen und Wein und andere Stärkungsmittel ausgeben. Verhältnismäßig rasch - für die damaligen Zeiten - trat die Hilfeleistung aus Reutlingen in Aktion. Es waren Dr. Weinhardt und die Arztbrüder Drs. Kober, die als erste an der Unglücksstelle mit dem Kraftwagen eintrafen, nachdem die erste telefonische Nachricht von dem Unglück gegen drei Uhr in Reutlingen eingetroffen war. Der Leiter der Sanitätskolonnen, Kunz, organisierte das weitere Rettungswerk, sorgte für Wagen und Verbandsstoffe und ließ die erreichbaren Mannschaften der Kolonne herbeiholen. Später fuhr ein Lastwagen der Firma Hammer, ein Auto mit zwei Tübinger Ärzten und mit Sanitätsausrüstung und ein großer Kraftwagen von Gemeinderat Röcker noch an die Unglücksstätte.
Glücklicherweise hatte das Unglück kein Todesopfer gefordert. Die meisten der Verletzten waren mit Arm-, Bein- und Rippenbrüchen davongekommen. Viele hatten sich noch mit eigener Kraft wieder zum Schloßhof emporarbeiten können, die meisten mussten jedoch aus ihrer misslichen Situation mit fremder Hilfe befreit werden. Auch die Bergung der im Schloß eingeschlossenen Besucher machte viele Mühe. Dazu musste die Feuerwehrleiter aus Honau eingesetzt werden.
Die Verletzten wurden teils nach Reutlingen, teils nach Tübingen verbracht. Viele hatten schon nach ambulanter Behandlung wieder entlassen werden können. Lange Zeit bangte man um das Leben eines Schwerverletzten, eines ehemaligen Matrosen aus Hedelfingen.
Als Ursache für das Unglück wurde dann festgestellt, dass der die Brücke tragende Holzpfeiler morsch gewesen war.
Ein kleiner Zeitungskrieg schloss sich noch an: Es ging darum, ob es nicht doch möglich gewesen wäre, schneller Hilfe heranzuholen. Auch im Bericht des Reutlinger General-Anzeigers war kritisiert worden, dass das Telefonieren vom Lande aus, so gut wie unmöglich war, und daß es kein Krankenauto zur schnellen Bergung der Verletzten gab.
Textauszüge: General-Anzeiger Reutlingen, vom 18.08.1959 Bearbeitung + eArchiv: Dieter Bertsch
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