Bei diesem "vorsintflutlichem" Gefährt handelt es sich um einen Adler-Wagen aus dem Jahre 1903, der Gala-Wagen des damaligen Direktors der Baumwollspinnerei in Unterhausen. Mit ihm machte der leitende Herr dieses Unternehmens seinerzeit die Geschäftsfahrten. Er machte dabei nicht weniger Eindruck als ein Chef von heute, der in einer supermodernen Nobelkarosse vorfährt. Für das Foto durfte sich der Sohn des Direktors hinter das Lenkrad setzen; der Mann, der den Wagen wirklich fahren durfte, war der Chauffeur, Karl Vollmer aus Unterhausen, der sich in wirksamer Pose rechts an den Wagen anlehnt.
Karl Vollmer ist 1883 geboren. Drei Jahre lang, bis 1906, durfte er als Chauffeur noch ohne Führerschein fahren. Erst mit der Einführung des Führerscheins im Jahre 1906 legte er die erforderliche Prüfung ab. Die Prüfungsfahrt führte die Gartenstraße in Reutlingen rauf, durchs Marktgäßle durch und dann die Wilhelmstraße hinunter bis zum Bahnhof. Kein Gegenverkehr, keine Hinweisschilder und keine Einbahnstraßen. Über den Motor fragte der amtliche Sachverständige den Prüfling erst gar nicht aus. "Es ist ein französischer", sagte er, "da könnten Sie mehr davon verstehen als ich". Der Führerschein besaß auch seine Gültigkeit als Karl Vollmer später für die Pfullinger Adler-Brauerei gefahren ist und unmittelbar vor dem Kriege als Omnibusfahrer die Linie Lichtenstein - Willmandingen befuhr.
Daß er zu den ersten gehörte, die ein richtiges Automobil durch das Land steuerten, zu den ersten, die einen richtigen Führerschein besaßen, machten ihn stets stolz und glücklich.
Quelle: Auszüge aus dem Reutlinger GEA, vom 8. Januar 1955 Bearbeitung + eArchiv: Dieter Bertsch
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